Fußball-EM (13): Alles oder nichts
Jetzt geht es um alles oder nichts: Heute Abend steigt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in die K.O.-Runde der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ein. Eigentlich spricht alles für einen Sieg und damit für den Einzug ins Halbfinale. Oder etwa doch nicht? Sammeln wir mal ein paar Argumente… (…weiter…)
Deutschland ist das einzige Team im Turnier, das bisher alle seine Spiele gewinnen konnte. Alle anderen noch im Wettbewerb befindlichen Länder mussten bislang mindestens einmal mit einem Unentschieden zufrieden sein oder sogar Niederlagen hinnehmen. Das gilt auch für den heutigen Gegner Griechenland, für den bisher ein Sieg (1:0 gegen Russland), ein Unentschieden (1:1 gegen Polen) und eine Niederlage (1:2 gegen Tschechien) zu Buche stehen. Vier Punkte in der Gruppe A reichten nur deshalb für den zweiten Tabellenplatz, weil die Regel, dass eine bessere Tordifferenz höher bewertet wird als der direkte Vergleich zweier Teams, bei Fußball-Europameisterschaften nicht zum Tragen kommt. Dieser Umstand hat bereits für einige Verwirrungen bei Fans, Medien und auch bei Experten gesorgt – wobei wir festhalten müssen, dass die Bevorzugung des direkten Vergleichs tatsächlich nur in Gruppe A Auswirkungen auf die Abschlusstabelle hatte. Russland holte in dieser Gruppe ebenfalls vier Punkte und schaffte ein besseres Torverhältnis (5:3 Tore, Griechenland 3:3), wurde aber zum „Opfer“ des EM-Regelwerks.
Was spricht noch für Deutschland? Sicherlich der Umstand, dass heute wohl eine Art „Heimspiel“ zu erwarten ist. Teammanager Oliver Bierhoff erwartet bis zu 18.000 deutsche Fans im Stadion in Danzig – und damit deutlich mehr, als es das knappe Kontingent für deutsche Fans (weniger als 8.000 Karten) hätte vermuten lassen. Der Grund: Weil sich viele polnische Fans schon weit vor der EM mit Karten für diese Begegnung eingedeckt hatten, und zwar in der Hoffnung, dass ihr eigenes Land heute als Zweiter der Gruppe A involviert sein würde, gelangten jetzt wieder Tickets zu recht günstigen Preisen auf den Markt. Viele deutsche Fußballfreunde haben sich direkt bei enttäuschten polnischen Fans eingedeckt, die an der Begegnung Deutschland – Griechenland nur noch mäßiges Interesse hatten. Dem Vernehmen nach wurden beim Weiterverkauf keine überhöhten Schwarzmarktpreise verlangt – auch weil die Polen nunmehr das deutsche Team unterstützen, nachdem ihr eigenes ausgeschieden ist. Deutsch-polnische Beziehungen der besonderen Art also – und wieder mal zeigt sich: Fußball verbindet.
Ein weiteres wichtiges Argument für die Wettbüros dieser Welt dürfte sein, dass mit Georgios Karagounis der Kapitän der griechischen Elf heute fehlt – denn er ist für das Viertelfinale gesperrt. Und im Gegensatz zu etwa Spanien oder Frankreich gilt der Kader der Griechen nicht als ausgeglichen genug, um solch wichtige Schlüsselspieler 1:1 ersetzen zu können. Da hätte Trainer Fernando Santos wohl gern die typisch deutschen „Luxus-Probleme“ bezüglich seiner Aufstellung. Klose oder Gomez? Reus oder Podolski? Bender oder Boateng? Mit solchen Fragen würde sich Santos vermutlich auch gern beschäftigen. Doch für ihn geht es nur darum, ein taktisch gut aufgestelltes Team auf den Rasen zu bringen, das nicht von Namen abhängig ist, sondern eine disziplinierte defensive Spielweise 90 (oder zur Not auch 120) Minuten lang beherzigt, um den scheinbar übermächtigen Deutschen irgendwie Paroli bieten zu können. Einen Fehler darf die Elf von Jogi Löw aber auf keinen Fall machen: die Griechen unterschätzen. Das haben 2004 schon ganz andere Mannschaften getan…
Im Übrigen dürfen wir auch weiterhin gespannt sein, welche Geschichten die EM noch so für uns bereithält. Wird Mehmet Scholl Mario Gomez nochmal zu Höchstleistungen anstacheln? Werden Oliver Kahn und Kathrin Müller-Hohenstein das wunderschöne Usedom jemals wieder verlassen? Wird die UEFA noch einmal Szenen einspielen, die gar nichts mit der gerade laufenden Partie zu tun haben? Sollten die Franzosen in ihrer Kabine doch lieber ihre Schienbeinschoner anbehalten? Hat Ronaldo genügend Haargel dabei, um bis Kiew durchzuhalten? Wir wissen es nicht. Übrigens, philatelistisch hat die „Euro 2012“ wohl deutlich weniger zu bieten als frühere Turniere, etwa 2008 die EM in Österreich und der Schweiz. Das ist aber nicht negativ gemeint, eher im Gegenteil: Mit einer behutsamen Ausgabepolitik machen sich insbesondere die Gastgeber-Länder in der Szene durchaus Freunde. Österreich hatte hier mit einer eher inflationären Variante vor vier Jahren für einigen Ärger gesorgt. Es gab zwar viele schöne Motive und wirklich erstklassige Marken-Ideen – doch wer alles haben wollte, musste dementsprechend tief in die Tasche greifen.
Noch mehr EM? Lesen Sie auch die bisherigen zwölf Folgen unserer Euro-Serie. Klicken Sie einfach hier, um alle Folgen angezeigt zu bekommen.
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