Kater mit  schlechtem Karma

Kater mit schlechtem Karma

Kaum ein Menschenschlag ist so berühmt für seine haarsträubenden Geschichten wie die Seefahrer – vielleicht mit Ausnahme von Jägern, Anglern, Bergsteigern, Autofahrern, Liebhabern, Fremdenführern, Pastoren, UFO-Opfern und einigen anderen. Im sogenannten Seemannsgarn vermischt sich mitunter tatsächlich Erlebtes mit fantasievoll ergänzten Details, die der Geschichte die besondere Pointe verleihen sollen. Doch manche Geschichten sind so unglaublich, dass sie einfach wahr sein müssen, selbst wenn sie sich jemand ausgedacht hat.

Die Legende von „Unsinkable Sam“

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Der Flugzeugträger „Ark Royal“ (MiNr. 198, 3. April 1967).

Eines der berühmtesten Opfer einer Schiffskatastrophe ist eine Dame mit dem Spitznamen „unsinkbare Molly Brown“. Ihre Erlebnisse wurden sowohl in einem Broadway-Musical als auch einem Film verewigt. Margaret Brown überlebte den Untergang der RMS „Titanic“ und zeichnete sich während des Dramas durch ihren Einsatz aus, weitere Passagiere zu retten. Ebenfalls an Bord befand sich eine Stewardess namens Violet Jessop, die bereits 1911 die Kollision des Titanic-Schwesterschiffs RMS „Olympic“ mit einem Kriegsschiff erlebt hatte. Jessop entkam auch 1912 dem Tod, nur um 1916 schließlich mit dem dritten Schiff der Olympic-Klasse, der HMHS „Britannic“ noch einmal unterzugehen – und gerettet zu werden. Ein solches Glück mag kaum noch zu überbieten sein, doch da Katzen bekanntlich – je nach Kulturkreis – sieben bzw. neun Leben haben, ist der Protagonist der folgenden Geschichte ein Kater.

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In der Dänemarkstraße wurde die „Bismarck“ (o.) am 24. Mai 1941 von dem britischen Schlachtschiff „Prince of Wales“ (u.) und dem Schlachtkreuzer „Hood“ (u.r.) gestellt. Letzterer wurde getroffen und sank. Das deutsche Schlachtschiff entkam nach Süden (MiNr. 764, 353–354).

 

Club der Unsinkbaren

Als im Frühjahr 1941 der Stolz der deutschen Kriegsmarine, die „Bismarck“, mit rund 2200 Mann Besatzung in den Nordatlantik vorstieß, um dort den englischen Nachschub zu stören, befand sich an Bord des Schlachtschiffes offensichtlich auch ein Bordkater. Sein ursprünglicher Name ist nicht überliefert. Doch als die „Bismarck“ am 27. Mai 1941 nach unglücklichem Kampf in den stürmischen Fluten des Atlantiks versank, überlebten nicht nur 116 Seeleute. Auch eine einsame Katze trieb auf einem Trümmerteil, wo sie am nächsten Morgen von der Besatzung des britischen Zerstörers HMS „Cossack“ entdeckt wurde. Die Männer nahmen das Tier an Bord und tauften es „Oscar“.

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Ein knappes halbes Jahr diente der Kater nun als Maskottchen des Kriegsschiffs, bevor die HMS „Cossack“ am 24. Oktober 1941 als Geleitschutz eines von Gibraltar aus kommenden Konvois von einem deutschen U-Boot versenkt wurde. Ein Großteil der Besatzung kam dabei ums Leben. Doch unter den wenigen Geretteten befand sich auch Kater „Oscar“. Zurück in Gibraltar machte die Geschichte von dem vierbeinigen Glückspilz rasch die Runde und bald wurde ein neuer Spitznamen für ihn gefunden: „Unsinkable Sam“.

„Glückliches“ Schiff

In Gibraltar befand sich zu dieser Zeit auch der Flugzeugträger HMS „Ark Royal“, dessen Swordfish-Doppeldecker im Mai für die Versenkung der „Bismarck“ verantwortlich gewesen waren. Die „Ark Royal“ galt als besonders „glückliches“ Schiff. Einem deutschen Torpedoangriff war sie entkommen, weil dessen Sprengkopf nicht explodiert war. Ein anderes Mal wurde sie so schwer bombardiert, dass die Deutschen sie seither in ihren Unterlagen als „versenkt“ führten, obwohl sie in Wirklichkeit keinen einzigen Treffer erlitten hatte. Das wiederholte sich noch mehrfach. Die „Ark Royal“ schien gesegnet. Und so kam der vermeintliche Glückskater „Oscar“ auf diesen Flugzeugträger. Doch gerade einmal zwei Wochen später erhielt das Schiff einen Torpedotreffer. Allen Rettungsversuchen zum Trotz kenterte es am 14. November 1941. Fast die gesamte Besatzung wurde gerettet – auch „Oscar“. Doch mit der Seefahrt war es für „Unsinkable Sam“ nun aus. Die britische Marine erkannte ihren Irrtum, dass das Tier nämlich in Wirklichkeit ein Unglücksbringer war. Der Kater wurde in den Ruhestand versetzt und soll noch bis 1955 in einem Seemannsheim in Belfast gelebt haben. Sein Porträt aus der Feder von Georgina Shaw-Baker ist im UK National Maritime Museum in Greenwich zu sehen.

 

Titelabbildungen: Die Flak-Geschütze der „Bismark“ waren nutzlos gegen Tiefflieger (MiNr. 1315). Der Zerstörer „Cossack“ fischte die Katze aus dem Wasser (MiNr. 229, 1. Juli 1942).


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Authored by: Jan Sperhake

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