Laktoseintolerante Schlangenfresser

Laktoseintolerante Schlangenfresser

Als Kulturfolger siedeln sich die stacheligen Insektenvertilger zunehmend in Parks und Gärten an. Von unserem Verhalten hängt ihr Überleben ab.

Ansichtskarte Deutschland Igel

Ein ausgewachsener Braunbrust­igel ist ca. 25 Zentimeter lang und wiegt rund 600 Gramm. Sein Fell besteht aus über 5000 Stacheln, die regelmäßig nachwachsen.

Ansichtskarte aus Deutschland IgelWäre man ein Tier, könnte man sich um die Evolution betrogen fühlen. Was nützt einem die schönste Anpassung an den Lebensraum, wenn eine andere Spezies im Rekordtempo die Umweltbedingungen verändert? Der Igel ist eines der ältesten noch lebenden Säugetiere. Dieser Erfolg ist vor allem seiner wirksamen Schutz- und Verteidigungsstrategie geschuldet. Auch seine Erzfeinde, die Füchse, Dachse, Marder und Eulen, scheitern oft an seinem Stachelkleid. Doch scheint diese erfolgreiche Abschreckungsmethode tragischerweise den Rückgang der Igelpopulation eher noch zu beschleunigen. Denn im Gegensatz zu den Fluchttieren verharrt der Igel auch angesichts sich rasch nähernder Gefahren in seiner Verteidigungshaltung und zeigt seine Stacheln – im Straßenverkehr mit meist fatalen Folgen. Dass derzeit trotz zunehmender PKW-Zahlen im Straßenverkehr immer weniger plattgefahrene Igel gefunden werden, darf dabei nicht als positives Zeichen gewertet werden. Vielmehr gehen die Zahlen der tödlichen Begegnungen zwischen Igel und Automobil so stark zurück, weil es immer weniger Igel gibt. Denn für sie ist einfach kein Platz mehr.

Ansichtskarte aus Deutschland Igel

Samtpfote trifft Nadelkissen: In der Regel tritt bei dieser Begegnung selbst die verspielteste Katze bald den Rückzug an. Ein echter Igel hätte sich allerdings schon längst zusammengerollt.

Ansichtskarte Deutschland IgelGute Nase

Der englische Name „Hedgehog“ bedeutet übersetzt „Heckenschwein“, denn am liebsten verbirgt sich das scheue Tier im dichten Unterholz oder im Laub, um sich von dort aus in der Dämmerung auf die Suche nach Nahrung zu machen. An ihrem röchelnden Schnaufen, das in der Dunkelheit mitunter irritierend, wenn nicht gar furchteinflößend wirken kann, lässt sich erkennen, dass der Igel zum Auffinden seines Futters vor allem seiner exzellenten Nase folgt. Unterstützt wird er dabei von einem feinen Gehör und empfindlichen Tasthaaren, die das schwache Augenlicht des Igels mehr als wettmachen. Obwohl sein Name in der etymologischen Herleitung „Schlangenfresser“ bedeutet, sind solche dicken Happen für ihn eher die Ausnahme. Hauptsächlich ernährt sich der Igel von Insekten und deren Larven. Eine schmackhafte Schnecke wird sicher nicht verachtet, und mitunter machen auch Frösche oder Mäusebabys die Bekanntschaft mit den scharfen Zähnen des kleinen Räubers – Menschen übrigens auch, wenn sie dem unsinnigen Impuls folgen, den „süßen kleinen Igel“ zu streicheln.

Ansichtskarte Deutschland Igel

Spinnen zählen zwar streng genommen nicht zu den Insekten, sie schmecken dem Igel aber dennoch vorzüglich.

Bedrohung durch den Menschen

Eines der größten Probleme für den Igel liegt im schwindenden Nahrungsangebot. Bekanntlich sind die Insektenzahlen in Mitteleuropa in den letzten Dekaden dramatisch gesunken, und damit ist die Hauptfutterquelle im Schwinden begriffen. Die immer noch massenhaft eingesetzten Ackergifte der industriellen Landwirtschaft spielen dabei eine wichtige Rolle. Auf den Äckern selbst leben ohnehin kaum noch Igel. Die riesigen Monokulturflächen bieten einfach zu wenig Abwechslung und keine Verstecke für den Igel. Das gilt auch für übermäßig gepflegte Privatgärten. Ist die Natur hübsch aufgeräumt, steht es schlecht um die Artenvielfalt. Zwischen Steingärten und vom Unterholz befreiten Ziergehölzen fühlen sich Wildtiere nicht besonders wohl. Schneckenkorn oder andere „Pflanzenschutzmittel“ vergiften darüber hinaus das noch verbliebene Nahrungsangebot. Bahnt sich zu allem Überfluss auch noch regelmäßig der vollautomatische Mähroboter seinen Weg über den englischen Rasen, wird der versehentlich vorüberstreunende Igel mit etwas Pech weitflächig über das Grün verteilt. Strebt man noch mehr Effizienz beim Auslöschen freilebender Tiere an, darf natürlich der Laubbläser nicht fehlen. Ist das ohrenbetäubende Gebläse an sich schon lästig und hässlich, vermögen die Geräte gerade junge Igel problemlos mehrere Meter weit zu schleudern, sodass sie nicht selten mit diversen Knochenbrüchen am Zaun verenden.

Ansichtskarte Deutschland IgelTipps für Igelfreunde

Wer hingegen mithelfen möchte, Igeln ein geeignetes Revier zu schenken, kann neben dem Verzicht auf die genannten High- tech-Helfer mit wenig Aufwand Großes bewirken. Naturnahes, giftfreies Gärtnern sorgt für ausreichende Insektenbestände, und eine flache Vogeltränke löscht den Durst. Laubhaufen oder Holzstapel bieten Unterschlupf und für den Winter ein Quartier. Damit die Tiere ihren Winterschlaf ungestört abschließen können, sollten diese Zufluchtsorte möglichst bis zum Frühjahr nicht mehr umgesetzt werden. Falls ein Igel wegen milder Witterung oder anderer Ereignisse mitten im Winter durch den Garten spaziert, kann ihm mit Katzen-Trockenfutter geholfen werden. Auf keinen Fall aber darf er Milch trinken! Igel haben Laktoseintoleranz, und der Verzehr kann im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen. Das Aufnehmen eines Igels in die Wohnung als Wintergast sollte nur im Notfall erwogen werden. Falls ein schwaches oder krankes Tier vor dem Hunger- oder Kältetod gerettet werden muss, sollte man sich an eine lokale Igel­station wenden. Dort sollten fundierte Kenntnisse über die Pflege von Wildtieren vorhanden sein. Ansonsten kann man sich darauf verlassen, dass die Natur in der Regel selbst das Richtige tut – wenn der Mensch sie nur lässt.

Die abgebildeten Karten wurden uns von „www.mau-ak.de“ zur Verfügung gestellt.

Jan Sperhake

 


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Authored by: Jan Sperhake

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