Australien – Lumpenkolonie unter dem Stern des Südens

Australien – Lumpenkolonie unter dem Stern des Südens

Seit der Erkundung der australischen Küste durch den Entdecker und Naturforscher James Cook im Jahre 1770 hatte die Regierung in London mit der Besiedelung des Kontinents geliebäugelt. Die Unabhängigkeitserklärung der 13 Kolonien in Nordamerika, die sich nun Vereinigte Staaten nannten, gab den Ausschlag, das Unternehmen anzugehen. Bis dahin hatte sich das britische Mutterland seiner durch Überbevölkerung und soziale Ungleichheit wachsenden Zahl an Sträflingen bequem entledigen können, indem die mehr oder weniger kriminellen Verurteilten einfach nach Übersee verschifft wurden. Damit war jetzt Schluss. Warum also nicht eine neue Kolonie aufbauen, in der die billigen Arbeitskräfte für die Urbarmachung eingesetzt werden konnten?

Mit der First Fleet ans andere Ende der Welt

Die Halbinsel von South Head schützt Sydney zur Seeseite hin und macht die Bucht zum idealen Hafen. Die steilen Felsküsten sind einerseits Touristenattraktionen, andererseits berüchtigte Treffpunkte für Selbstmörder.

Unter dem Kommando des langgedienten Kapitäns der Royal Navy Arthur Philipp wurde 1786 eine Flotte von elf Schiffen ausgerüstet. Neben zwei bewaffneten Eskort- und drei Versorgungsschiffen sollten sechs Frachter die menschliche Ladung auf den Südkontinent transportieren. 759 Sträflinge im Alter von 13 bis 70 Jahren waren für die Reise der „First Fleet“ ausgewählt worden, zusammen mit Marinesoldaten und Seeleuten rund 1400 Menschen. Am 13. Mai 1787 stachen die Schiffe von Portsmouth aus in See. Bereits am 3. Juni erreichte die Flotte Santa Cruz auf der Insel Teneriffa. Während eines einwöchigen Aufenthalts wurden die Vorräte an Wasser, Obst und Gemüse aufgefrischt.

Bereits 1819 ließ der Gouverneur den Grundstein für die St. Andrew’s Cathedral legen. Sein Architekt war ein verurteilter Finanzbetrüger. Der gewaltige Bau wurde bald von höchster Stelle als vollkommen überdimensioniert gestoppt und 1837 durch einen kleineren ersetzt.

Die nächste Etappe führte mit dem beständigen Nordost-Passat nach Rio de Janeiro, wo Saatgut für die künftige Kolonie aufgekauft und die Schiffe ausgiebig verproviantiert wurden.Kapitän Philipp hatte von 1774 bis 1778 in der portugiesischen Marine gedient und war daher ein willkommener Gast in der südamerikanischen Kolonie. Fast einen Monat verweilte die Flotte im Schatten des Zuckerhuts, dann lief sie aus in Richtung Kapstadt, wo auf einem letzten Proviantstopp auch Nutztiere an Bord genommen wurden. Mehr als 500 blökende und schnatternde Passagiere verwandelten die Flotte in eine regelrechte „Arche Noah“. Mit der Westdrift südlich des 40. Breitengrades, den „Roaring Forties“, ging es anschließend auf direktem Weg nach Australien.

Im Botanischen Garten von Sydney blickt eine überlebensgroße ­Statue des ersten Gouverneurs, Arthur Phillip, über die Bucht. Philipp war der Sohn eines Frankfurter Buchhändlers, der nach England ausgewandert war.

Zwischen dem 18. und 20. Januar 1788 liefen die Schiffe in die von James Cook empfohlene „Botany Bay“ an der Ostküste ein. Doch erste Erkundungen des Terrains sorgten für Enttäuschung. Anstelle fruchtbaren Ackerlandes fanden die Briten eine sumpfige Landschaft ohne nennenswerte Frischwasserquellen. Gouverneur Philipp suchte im Norden nach einer Alternative. Bei Port Jackson wurde er fündig. Ein nahezu idealer Naturhafen mit besten Landemöglichkeiten und Trinkwasserquellen erstreckte sich viele Meilen ins Landesinnere. Philipp wählte eine der zahlreichen Buchten als künftiges Zentrum der Sträflingskolonie aus und taufte sie Sydney Cove, zu Ehren des britischen Innenministers, Thomas Townshend 1st Viscount of Sydney.

Die schwierige Besiedelung Australiens

Der Bau der St. Mary’s Cathedral wurde 1821 ebenfalls auf Anregung Macquaries begonnen. Das heutige Gebäude ist ein Neubau, da die erste Kathedrale 1865 einem Brand zum Opfer gefallen war.

Die Besiedelung des neuen Landes erwies sich indessen als schwierig, was auch der mangelhaften Planung des Unternehmens geschuldet war. Die Sträflinge verfügten nur über geringe landwirtschaftliche Fähigkeiten, die Böden waren karg und trocken, und die verfügbaren Werkzeuge erwiesen sich als von mangelhafter Qualität. Die vorherrschenden Harthölzer konnten nur mit äußerster Mühe für die Errichtung von Gebäuden verwendet werden. An Kleidungsvorräte hatte man überhaupt nicht gedacht. Als zwei Jahre später der zweite Gefangenentransport in Sydney Cove eintraf, die berüchtigte „Todesflotte“, die auf der Überfahrt mehr als ein Viertel der Sträflinge verloren hatte, lief die gesamte Kolonie in zerfetzten Lumpen herum. Unterdessen sah sich Gouverneur Philipp ge­zwungen, die Zahl der Kolonisten zu reduzieren, um die dramatische Ernährungslage zu entschärfen. Dazu ließ er Teile der Strafgefangenen auf eine der Norfolkinseln schaffen, wo sie eine eigene kleine Siedlung errichten sollten. Die zufällig entdeckten Schildkröten in den Gewässern des kleinen Eilands wurden in Sydney Cove begierig verspeist. Erst nach zwei Jahren Hunger und Elend gelang es der australischen Kolonie auf weiter im Binnenland gelegenen Ackerflächen die Grundversorgung der Menschen zu erwirtschaften. Weitere Sträflingstransporte sorgten 1790 und 1791 für die nötigen Arbeitskräfte.

Erst unter dem Gouverneur Lachlan Macquarie entwickelte sich Sydney von einem Sträflingslager zu einer Stadt. Er benannte die High Street, die als Australiens erste Straße gilt, 1810 in George Street um.

Doch Sydney durchlebte noch turbulente Jahre, bevor aus dem Sträflingsnest eine florierende Stadt wurde. Fast 20 Jahre erschütterten Korruption, illegaler Alkoholhandel und Machtkämpfe die Kolonie. Insbesondere die Marinesoldaten des „New South Wales Corps“ taten sich negativ hervor, weshalb sie auch als das „Rum Corps“ in die Geschichte eingegangen sind. Zeitweise war Schnaps die einzige Währung in Australien. Erst Gouverneur Lachlan Macquarie gelang es ab 1810, die Entwicklung Sydneys in geordnete Bahnen zu lenken. Die Erschließung des Umlandes und die Goldfunde bescherten der Stadt rasches Wachstum, sodass Sydney heute die größte Metropole Australiens ist.

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Authored by: Stefan Liebig

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