Marke der Woche: Träumen Sie jetzt!

Traum-SchwimmbadFortschritt. Ein abdrünniges Substantiv hat sich unser aller Gemüter bemächtigt. Besagt „fortschreiten“ an sich doch lediglich, dass ein Prozess abläuft und somit entlang der linearen Zeitachse Entwicklung hinterlässt, so ist der Begriff doch heute zu einem Credo mit vollkommen neuer Bedeutung herangewachsen. Fortschritt bedeutet Verbesserung, Fortschritt deklassiert die Vergangenheit als minderwertig. Doch in dieser eschatologisch beeinflussten Deutungsebene, also dem „Glauben“ daran, dass alles zu einem idealen Endpunkt hin verläuft, liegen dennoch die Fallstricke verborgen, die ihre Ursache darin haben, dass der wichtigste Faktor dieser Gleichung im Kern unverändert geblieben ist: der Mensch.

Trotz explosionsartig vermehrtem Weltwissen und emsiger Forschung unterliegt die menschliche Natur einem evolutionären Entwicklungstempo. Und das braucht bekanntlich viele, viele Generationen. Unser Geist mag versuchen, sich selbst zu überholen, aber er wird uns nicht von unseren menschlichen Ur-Bedürfnissen befreien, zumindest nicht ohne den Preis der Menschlichkeit dafür zu zahlen. Unsere heutige „Marke der Woche“ zeigt dies an einem sehr einfachen Beispiel. Diese Ausgabe aus Neuseeland vom 7. August zeigt „Travel Posters“, also kunstvolle Werbeplakate für Urlaubsziele.

Badenixe am fernen StrandStaunend über das große Unbekannte, vermag unsere Fantasie uns zu beflügeln. Ferne, exotische Länder voller wundersamer Bräuche entfalten sich vor dem inneren Auge. Wir träumen und genießen die Ferne und Unerreichbarkeit, die uns so für einen Augenblick aus der Realität entführen. Diese Motive finden sich seit Menschengedenken in Literatur und darstellender Kunst. Manche Epochen waren von Epidemien an Exotismen heimgesucht. Und welcher Philatelist kann nicht mit Freudentränen in den Augen davon erzählen, wie er erstmalig mithilfe seines Schulatlas versuchte, die fremden Länder auszumachen, deren Postwertzeichen er vor sich liegen hatte? Dieser Reiz erfüllt ein menschliches Ur-Bedürfnis: die Sehnsucht. Ohne Sehnsucht sind wir arm. Das Internet ermöglich uns, mit einem Klick die fernen Stätten Chinas zu begutachten. Wir können mit einer Webcam einen bestimmten Strand am anderen Ende der Welt „in echt“ beobachten. Wir können zum Flughafen fahren und einen Flug nach einer Destination unserer Wahl buchen. Alles ist erreichbar, alles in greifbare Nähe gerückt. Wir können Alles und Jeden auf digitalen Fotos sehen. Das ist Fortschritt im modernen Sinne, aber gleichzeitig haben wir ausgeträumt. Die Travel-Posters stammen aus den 30er- und 40er-Jahren. Sie werden heute – zurecht – als Kunstobjekte gehandelt, denn sie spiegeln deutlich den Zeitgeist wider, als die Tore der Welt sich öffneten, wir aber immer noch auf unsere Fantasie angewiesen waren. So transportierten die gemalten und gezeichneten Bilder sehr viel mehr Emotionen als es Fotografien vermocht hätten. Eine kleine Fantasiereise steckte in jedem Motiv. Wie es dort wohl in Wirklichkeit aussieht?

Lagerfeuerromantik mit SchafherdeGleichwohl permanente, sofortige Verfügbarkeit zum Grundsatz der Arbeitswelt geworden sein mag, ist dieser Anspruch nicht der menschlichen Natur entsprechend. Geduld und Genügsamkeit lassen den Menschen reifen, zu schnell erfüllte Wünsche werfen ihn zurück in ein kindliches Stadium der unmittelbaren Triebbefriedigung. Pädagogisch ist dieser Umstand längst akzeptiert, aber wir Erwachsenen stehen da ja drüber, oder? Oder etwa nicht? Wenn all die kleinen Ich-Zwerge sich zu unseren eigenen Tyrannen erhoben haben, sollten wir spätestens innehalten und uns eine Sehnsucht suchen, die vielleicht nicht sofort erfüllt wird, uns das Leben aber schöner, verträumter und genießbarer macht. Fangen wir damit an, dass wir uns in diese wunderschönen Sondermarken vertiefen. Jetzt!

Reise-Poster als Briefmarkenbogen


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Authored by: Jan Sperhake

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