Marke der Woche: Gedöns-Tag
Diese Woche ist es wieder soweit. Der Internationale Frauentag am 8. März gebiert den jährlich wiederkehrenden Ausfluss an Lippenbekenntnissen. Kaum ein Funktionär aus Politik und sonstiger Repräsentanz kann sich die Gelegenheit entgehen lassen, etwas Kluges zu sagen. Reden wir darüber, um später nicht handeln zu müssen. So ehrliche Herabwürdigungen, wie die im Titel verwendete Formulierung Gerhard Schröders, sucht man allerings vergeblich. Der Zeitgeist ist stromlinienförmig.
Dabei ist der Tag an sich etwas Gutes und Notwendiges, denn immer noch werden Frauen in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Nicht umsonst erschien am 22. Februar in Spanien eine Sondermarke zum Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen lebt nach wie vor das „Patriarchat in den Köpfen“. Machen Sie sich einmal den Spaß und spielen Sie ein kleines Schubladen-Spiel, wenn Sie das nächste Mal in Bus oder Bahn unterwegs sind. Sortieren Sie alle Männer in Begleitung in die Kategorien a) „Männer-die-ihre-Frauen-wie-Hunde-behandeln“ b) „Männer-die-ihr-Frauen-wie-Katzen-behandeln“. Das ist nicht immer schön, schärft aber den Fokus. Noch mehr Gewinn hat man allerdings davon, wenn man die Zeit zum Durcharbeiten des Grundlagenwerks von Heidemarie Bennent „Galanterie und Verachtung. Eine philosophiegeschichtliche Untersuchung zur Stellung der Frau in Gesellschaft und Kultur“ nutzt.
Wir haben heute zwei Markenausgaben zur „Marke der Woche“ erkoren, da beide zum Nachdenken anregen. (…weiter…) Die erste stammt aus Französisch Polynesien und hat erstauntes Kopfkratzen hervorgerufen. Zweifelsohne kann man auf den beiden Briefmarken Frauen erkennen, nur stellt sich die Frage warum es denn unbedingt zum Weltfrauentag leichtbekleidet bis halbnackte Damen sein müssen, die da malerisch am Strand posieren. Die Reduktion auf das zweifellos hübsche Äußere ist doch wohl so ziemlich das Widersinnigste, was der oder die Grafiker sich haben ausdenken können. Zur Verteidigung sei eingeräumt, dass der Subtitel suggeriert, es handele sich um eine bedeutende polynesische Legende, aus der die Damen entsprungen sind. Andererseits fehlt der Hinweis darauf, welche Legende es ist. Insofern könnte man boshaft schlussfolgern, dass die Geschichte so unwichtig war, dass man sie leider zu erwähnen vergessen hat…
Die zweite Ausgabe ist – Frankreich lässt sich natürlich nicht lumpen – dann auch gleich zwölf Sondermarken schwer, das Portemonnaie des Thematikers entsprechend leichter. Der Beitrag zur Gleichberechtigung der Frauen ist eine Fotoserie zur „Aïcha des Gazelles“, einer seit 1990 in Marokko durchgeführten Rallye für Frauen. Die Veranstalter wollten damit ein Zeichen setzen und beweisen, dass Frauen durchaus mit Geländewagen umgehen können.
Dennoch wird der Verfasser einen gewissen Beigeschmack nicht los. Warum können denn nicht Frauen und Männer in einem Rennen gegeneinander antreten? Und es mag gut gemeint sein, eigene Regeln für die Rallye geschaffen zu haben, aber es riecht doch ein wenig nach schenkelklopfenden Stammtischsprüchen, wenn den Teilnehmerinnen a) kein technischen Hilfsmittel benutzen dürfen, b) die Geschwindigkeit nicht ausschlaggebend ist, sondern stattdessen c) eine möglichst kurze Streckenführung Siegpunkte beschert. Die Erlöse des Rennens werden in ein Ärzteteam investiert, welches im wenig erschlossenen Süden ambulante medizinische Hilfe für die Tuareg-Nomaden bereitstellt. Schirmherr ist übrigens der marokkanische König Mohammed VI., absoluter Monarch und geistiger Führer der Muslime. Allerdings muss eingeräumt werden, dass er nach dem Tod seines konservativ regierenden Vaters begonnen hat, dass Familienrecht zu reformieren, sodass Frauen – im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung – in ihren Rechten gestärkt werden. Das mag dann noch etwas von den eigentlichen Zielen Clara Zetkins und Emmeline Pankhursts entfernt sein (zum Nachlesen: BRIEFMARKEN SPIEGEL 3/2011, S. 77, „100 Jahre solidarisches Streiten“), aber es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Man darf gespannt weiterer Markenausgaben harren und sich vor allen Dingen auf die Medienberichterstattung des kommenden Freitags freuen, wenn sich manche Herren darin überschlagen werden, die Rolle der Frauen in der Gesellschaft so groß zu sprechen, dass sie im Endeffekt leider doch nicht durch die Türen in die Vorstandsetage passen. Nun denn, halten Sie es mit Franz Lehar: „Immer nur Lächeln…“
Benelux 2021/2022 (E12)
ISBN: 978-3-95402-362-2
Preis: 52,00 €
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